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12 – Nüsse nein, aber Nussmus ja?!

Ein riesiger Meilenstein im ersten Lebensjahr eines Kindes ist die Beikosteinführung – Babys erste Nahrung, die nicht aus Mutter- oder Premilch besteht. Kaum ein anderes Lebensmittel ist in seinem Einsatz dabei so angstbehaftet wie die Nuss. Verschlucken und allergische Reaktionen stehen dabei ganz oben auf der Liste der Notfallsituationen. Gleichzeitig gehören Nüsse aber als pflanzliche Eiweißquelle und Eisenlieferanten zu den gesündesten Lebensmitteln überhaupt. Wann sollten sie also in unsere Ernährung eingeführt werden und wenn, in welcher Form? Ganze Nüsse oder vielleicht doch eher Nussmus?

Alina, Ärztin in Weiterbildung zur Kinder- und Jugendmedizinerin und Mutter einer Tochter, und Meike, Rettungssanitäterin, Mutter eines Sohnes und Mitgründerin von Littleplan, teilen ihre Erfahrungen und geben wertvolle Tipps zu diesem Thema, das im Familienalltag so präsent ist.

Warum keine ganzen Nüsse bei Kleinkindern?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt ganz klar die Vermeidung von ganzen Nüssen in der Ernährung von Kindern bis zum vollendeten dritten Lebensjahr, also bis zum dritten Geburtstag. Dies hat den Hintergrund, dass die meisten Nüsse mit ihrer abgerundeten Form und glatten Oberfläche dazu prädestiniert sind, eine kindliche Luftröhre teilweise oder vollständig zu verschließen.

Uns Erwachsene schützt die Anatomie zumeist vor der Aspiration, also vor dem Verschlucken von kleinen Gegenständen. Zwischen dem Eingang zu Luft- und Speiseröhre, die in unserem Hals direkt hintereinanderliegen, befindet sich der Kehldeckel. Bei jedem Schluckakt schließt sich dieser über den Eingang der Luftröhre, um zu gewährleisten, dass Flüssigkeiten und Speisen ausschließlich in der Speiseröhre landen. Bei Säuglingen ist dieser Reflex noch nicht vollständig ausgebildet, damit das Trinken an Brust oder Flasche nicht ständig vom Absetzen für eine Atempause unterbrochen wird. Erst im Verlauf des ersten Lebensjahres verschwindet die Fähigkeit gleichzeitig zu atmen und zu trinken, der Übergang ist fließend. Zudem sind Kinder beim Essen oft hastiger oder „gieriger“, sie bewegen sich oder sprechen gleichzeitig. Somit kommt es häufiger zu Aspirationsereignissen, als bei Erwachsenen.

Wie erkenne ich, dass ein Kind sich verschluckt hat?

Eine Aspirationssituation tritt meist aus der Ruhe heraus auf, die Situation ändert sich also ganz plötzlich. Das Kind, welches gerade noch entspannt gegessen oder gespielt hat, fängt plötzlich an zu Husten. Dies wäre der erste natürliche Reflex, das Verschluckte loszuwerden. Das Kind wird meist panisch, läuft vielleicht rot oder blau im Gesicht an.

Was muss ich beim Verschlucken tun?

Durch die Erhöhung des Drucks im Brustkorb soll der Hustenreflex des Kindes unterstützt und der verschluckte Gegenstand mobilisiert werden. Hierzu nimmt man einen Säugling (ca. bis zum ersten Geburtstag) in den Fliegergriff auf den Unterarm. Hierbei zeigt das Gesäß des Kindes in Richtung des Ellenbogens, der Kopf wird an der unteren Kieferlinie mit Daumen und Zeigefinger stabilisiert. Der Kopf sollte tiefer gehalten werden als das Gesäß, um sich die Schwerkraft zusätzlich zu Nutze zu machen. Nun sollten im Wechsel von links nach rechts fünf kräftige Schläge mit dem Handballen zwischen die Schulterblätter erfolgen. Bei älteren Kindern (> 1 Jahr) sollte man sich das Kind hierfür bäuchlings über den Schoß legen. Zeigt diese Maßnahme Erfolg, sollte das Kind danach zunächst beruhigt werden. Hält die Situation an und das Aspirat konnte nicht mobilisiert werden, sollte ein Positionswechsel erfolgen. Säuglinge sollten dabei in Rückenlage auf dem Schoß positioniert werden. Es sollten fünf Kompressionen des Brustkorbs, ausgeführt mit Zeige- und Mittelfinger, auf Höhe des unteren Drittels des Brustbeins erfolgen. Für Kinder jenseits des ersten Geburtstages gilt die Anwendung des Heimlich-Handgriffs. Hierfür werden beide Hände von hinten um den Brustkorb des stehenden Kindes geführt und unterhalb des knöchernen Rippenbogens übereinandergelegt. Es folgen fünf kräftige Züge der Hände nach hinten oben. Die genannten Maßnahmen sollten bis zur Mobilisierung des Aspirats oder bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes im Wechsel durchgeführt werden.

Nuss verschluckt! Welche Gefahr gibt es?

Die akuteste Gefahr beim Verschlucken einer Nuss ist der vollständige Verschluss der Luftröhre, was zur akuten Luftnot und kurzfristig zum Ersticken führen kann. Wandert der Gegenstand allerdings weiter runter, kann es zum (Teil-) Verschluss eines (Haupt-)Bronchius kommen. Dies führt natürlich zu einem schlechteren Gasaustausch und somit zu einer schlechteren Versorgung des Organismus mit Sauerstoff. Zum Anderen ist das Verschluckte für den Körper aber auch ein Fremdkörper, der von den körpereigenen Zellen mit einer Entzündungsreaktion bekämpft wird. Es kommt also zu einer Lungenentzündung. In der Regel tritt eine Entzündungsreaktion in einem Zeitraum von 24-48h auf. Treten in dieser Zeit Warnsignale wie Fieber, Schüttelfrost, eine schnellere oder erschwerte Atmung auf, muss dieses zwingend ärztlich abgeklärt werden. Untersuchungen zur Feststellung einer Aspiration wie das Abhören (Auskultation), ein Röntgen der Lunge oder die Lungenspiegelung (Bronchoskopie) ermöglichen die Sicherung der Diagnose. In der Bronchoskopie kann das Aspirat dann im besten Fall geborgen, also entfernt werden.

Warum ist aber Nussmus empfohlen?

Nüsse gelten für Allergiker als sehr potentes Allergen, welches bei Vorliegen einer Nussallergie zu schlimmen allergischen Reaktionen bis hin zum allergischen Schock führen kann. In den alten Leitlinien zur Beikosteinführung galt die Empfehlung solche potenziellen Allergene möglichst lange aus der Ernährung rauszuhalten, um der Entstehung von Nahrungsmittelallergien vorzubeugen. Neuere Studien zeigen jedoch, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Je eher wir entsprechende Allergene in die Ernährung einbauen, umso unwahrscheinlicher entwickeln die Kinder im Verlauf eine Nahrungsmittelallergie. Daher können verschiedene (reine) Nussmuse, also solche ohne jeglichen Zusatz von z.B. Zucker, gerne früh zum Beispiel unter den Abendbrei (Getreide-Milch-Brei) gemischt werden. Zur Feststellung einer bereits bestehenden Allergie sollte die Einführung in der Menge aufbauend erfolgen. Wenn bei den Eltern Nahrungsmittelallergien bestehen, sollte eine Einführung des Allergens in Absprache mit dem Kinderarzt erfolgen.

Was sind die Anzeichen einer Nahrungsmittelallergie?

Typische Zeichen einer Allergie sind Hautausschläge bis hin zur Nesselsucht, ein Anschwellen der Zunge oder der Schleimhäute im Mund. Im schlimmsten Fall kann es zu Atemnot kommen. Jegliche Anzeichen sollten auf jeden Fall ärztlich abgeklärt werden.

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